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Land im Umbruch
Architektonische Streifzüge durch das Unterengadin

Das Unterengadin steht unter starkem baulichen Druck. Ein extensiver Zweitwohnungsbau breitet sich vom Oberengadin ins Unterengadin aus. Nach dem Wandel der Landwirtschaft hin zu grösseren Ställen an den Dorfrändern müssen sich alle Gemeinden mit zentralen Bauvolumen beschäftigen, die höchstens noch als Lager dienen. Diese Volumen stehen aus ehemals landwirtschaftlich zwingenden Gründen an äusserst attraktiven Lagen mit perfekter Aussicht auf das Tal. Dies führt dazu, dass sie vielfach zu privatem Wohnraum umgebaut werden. Zudem wird aufgrund der oft besseren finanziellen Lage der Unterländer viel alte Bausubstanz an diese verkauft. Einheimische können sich die alten Engadinerhäuser und Ställe nicht mehr leisten. Doch sind die Gebäude anschliessend höchstens einen Monat im Jahr bewohnt. Unbewohnte Geisterorte entstehen.

Parallel dazu nehmen die Gemeinden an den Dorfrändern einzonungen vor, um neue Steuerzahler ansiedeln zu können. Diese neuen Wohnquartiere sind vielfach ohne Gestaltungsplan angedacht und ergänzen die bestehenden Dorfstrukturen mit Schweizer Allerweltsarchitektur, Fertighäusern oder den schlimmsten pseudoalpinen Bauweisen. Dazu kommt, dass Infrastrukturen und Gewerbebauten die Dörfer oft unbedacht weiter verdichten und erweitern. Die gewachsene Kulturlandschaft geht verloren. Die Landschaft, das einmalige, touristische Kapital des Unterengadins entwickelt sich mit Allerweltsarchitektur zu einem Gemeindekonglomerat wie es auch im Mittelland auch zu finden ist.

Ein zentrales Problem stellt der professionelle Umgang mit Architektur dar. Die meisten Mitglieder von Baukommissionen sind in den kleinen Gemeinden entweder in architektonischen Fragen nicht ausgebildet oder sind selber im Baugewerbe tätig. Gerade letzteres birgt die Gefahr, dass keine Stellung gegen ein Projekt gezogen wird, da dies ein Verlust eines möglichen Auftrages bedeuten könnte. Zudem möchten die Gemeinden keine potenziellen, neuen Steuerzahler verlieren, was den Handlungsspielraum weiter einschränkt.

Einige Gemeinden wie Ardez oder Sent beginnen zu reagieren. Das neu eingezonte Erweiterungsgebiet östlich von Ardez hat vom St. Moritzer Architekten Robert Obrist einen verdichteten Gestaltungsplan erhalten. Doch wurde auch hier wie vielfach beinahe zu spät reagiert. Das erste geplante Gebäude ist ein ab Stange geliefertes Fertighaus. Die spezifischen Qualitäten von Ardez werden dem Traum vom unbedachten Einfamilienhaus geopfert. Wenn die Gemeinde nicht reagiert, wird das gesamte Konzept schon mit dem ersten Bau gefährdet. In anderen Gemeinden wie beispielsweise Sent sind Baustops und Prozentquoten für Zweitwohnungen ein Thema. Ob es in naher Zukunft dazu kommen wird, steht noch offen.

Das Unterengadin wird sich aufgrund des wirtschaftlichen Wandels und einer weiteren Ausrichtung auf den Tourismus wandeln. Die Kulturlandschaft, welche eines der grössten Qualitäten des Tals ist, darf nicht einem kurzfristigen Opportunismus geopfert werden.

Daniel A. Walser

 

Das Projekt ist entstanden wärend einem Stipendiatsaufenthalt am Kulturzentrum Nairs in Scuol, 2009. http://www.nairs.ch/

 

Videos mit Standpunkten und Reflexionen zum derzeitigen Bauen im Unterengadin

 

Die folgenden Architekten, Kritiker und Projektiniziatoren haben mit einem Interview zum Gelingen des Projekts beigetragen:

Christof Rösch, Architekt, Künstler, Kurator, Sent, http://www.nairs.ch/

Urs Padrun, Architekt, Guarda, http://www.padrun-architektur.ch/

Hubertus Adam, Architekturkritiker, Zürich, http://www.archithese.ch/

Angelo Andina, ehm. Gemeindeschreiber und Projektinitiator, Tschlin

Jon Armon Rauch, Architekt, Scuol

Valentin Bearth, Architekt, Chur, http://www.bearth-deplazes.ch/